Die Bedeutung der kartografischen Visualisierung von sozialen Netzwerken im wissenschaftlichen Forschungsbetrieb ist gut erforscht (Light & Moody 2020, Chen 2017, Börner 2015, Börner 2010). Die Verortung von Jazz und Popularmusik als soziale Praxis im urbanen Raum wird im Bereich der Urban Music Studies thematisiert.[1]
Ausgehend von kritischen Überlegungen zu Vermarktungsstrategien wie „Creative City“ oder „Music City“ werden zumeist die Geschichte und Gegenwart von Städten als Orte musikalischer Produktionsprozesse in den Blick genommen und Zusammenhänge zwischen sozialen Entwicklungen in urbanen Räumen und Musik visualisiert und diskutiert. Die Spezifika von Jazz und Popularmusik sind in diesen Arbeiten jedoch kaum berücksichtigt.[2] Eine Grundlage dieser Herangehensweise ist das kunsttheoretische Verständnis von „Landkarten“ (maps) als Produkte subjektiver bzw. intersubjektiver Kartierungsverfahren (Lehn 2008).
Die Praxis des Kartografierens mit künstlerischen Methoden ist im Forschungsbereich des „cultural mapping“ verankert, jedoch wird die Kartografie zunehmen auch als Methode in AR verhandelt: Cultural mapping dient dabei der Erforschung und Identifizierung des Identitätsprofils von Communities (vgl. Redaelli 2019, Duxbury et al. 2018). Entsprechende Forschung mit Bezug zur Musikstadt Wien fand von 2017-2020 im Rahmen des FWF-PEEK Projekts IMMV – Interactive Music Mapping Vienna: Exploring a city. 1945 up to the present day statt (https://www.musicmapping.at/). Die dabei aufwändig erstellte musikalische Landkarte befasst sich jedoch – im Gegensatz zum gegenständlichen Projekt – ausschließlich mit historischen Ereignissen und weist lediglich Randbezügen zur Popularmusik auf (https://immv-map.cvast.tuwien.ac.at/). Aktuelle Publikationen im Bereich AR zeigen die zunehmende Bedeutung der Kartografie als künstlerische Forschungsmethode (Campuzano 2024, Bragagnolo 2023, Gates 2023), wobei dieser Diskurs schon etwas früher in der Kunsttheorie angestoßen wurde (Rees 1980, Cosgrove 2004, Lehn 2008, Cartwright et al. 2009).
[1] https://urbanmusicstudies.org/resources/books/, https://urbanmusicstudies.org/resources/articles/ und https://urbanmusicstudies.org/resources/expertises-and-others/
[2] Diese werden lediglich in technisch eindrucksvoll umgesetzten Online-Maps dargestellt, basieren jedoch zumeist auf der, in der aktuellen musikwissenschaftlichen Jazz- und Popularmusikforschung sehr kritisch kommentierten Linearität von Musikgenres und -stilen, vgl. https://www.musicmap.info/, https://everynoise.com/engenremap.html.